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Pressetext Norden
Greet Helsen „Klangfelder“

Maiensäs

Hauptinstrument für Greet Helsen ist das Malerische. In der Reduktion der Mittel auf Acrylfarbe, Wasser, Fläche und Strich entstehen Werke voller Klarheit und Stimmigkeit. Die Malereien gleichen eher intimen Kammerstücken als episch-ausladenden Sinfonien, unabhängig von den Massen der Leinwände. Nicht zuletzt darum wenden sich die Bilder direkt und lebhaft, aber auch intim an die Betrachterin.
Die Malerin geht von rechteckigen Grundflächen aus, deren Kanten organisch weichgemacht werden. Manche Flächen sind gleichmässig und beinahe transparent gehalten, einem getönten Hauch gleich. Andere arbeitet sie stark durch, verleiht ihnen nebst Farbton, Richtung und Intensität weitere belebende Qualitäten wie Maserung und Dichte. Im Trocknungsprozess der sehr stark verdünnten, in lasierender Aquarelltechnik verwendeten Acrylfarbe dürfen zufällige Lufteinschlüsse und Pigmentanhäufungen entstehen. Jede einzelne Fläche hat daher ihren eigenen Charakter, ihre eigene Klangfarbe. Im Ensemble, auf der Leinwand, entstehen Akkorde voller Harmonien und manchmal auch Dissonanzen – ein Klangaggregat von vielschichtiger Tönung.
Arbeitet eine Künstlerin mit dem Prinzip des Malerischen, dann sind neben einer differenzierten Oberflächenbehandlung auch Strategien der Raumillusion, jenseits von geometrisch berechneten Perspektiven, von wesentlicher Bedeutung. Greet Helsen ordnet die flächigen Elemente horizontal oder vertikal und geschichtet. Interessanterweise werden immer die „Gesichtsseiten“ ansichtig, kaum jemals die Schmalseiten. Es besteht also eine gewisse theatralische Frontalität. Weiter charakterisiert sich die Ordnung der Elemente dahingehend, dass es oftmals keine exklusiv definierte Grundlinie im Bild gibt. Das mag auch damit zu tun haben, dass Greet Helsen in der Horizontalen malt. Die farbigen Felder und Striche scheinen sich wie freie Vektoren in alle Richtungen ausdehnen zu können, über den Rand der Leinwand hinweg. Sehr oft funktionieren die Malereien, was Ausgewogenheit und innerer Zusammenhalt betrifft, auch auf dem Kopf oder auf der Seite stehend.
In der neuesten Werkserie spielt Greet Helsen mit buntgemischten, zum Schwarm verdichteten Anhäufungen kleinerer Flächen. Diese „Klangfelder“, wie sie die Malerin nennt, nehmen in der Komposition einen eigenen Raum ein. Die einzelnen Elemente des Schwarms sind von einem unsichtbaren, energetischen Zentrum gehalten. Als mobile Einheit bewegt sich der Schwarm wiederum frei im Bildraum und darüber hinaus. Die Schwärme wirken dynamisch, verspielt, fast schon schalkhaft, kleine Capricci, die kurz und bestimmt hervortreten, um sich problemlos erneut mit dem Ganzen zu verbinden.

Greet Helsen wurde 1962 in Hoogstraten, Belgien, geboren. Sie lebt und arbeitet in der Nähe von Basel, wo sie mit ihrem Mann die Malschule NetzWerk Malerei leitet. www.greethelsen.ch / www.netzwerk-malerei.ch

Susanne Blaser, Kunsthistorikerin, Basel

Greet Helsen – Bilder

Ausstellung und work in progress vom 20. Februar bis 3. April 2011. Für die Dauer der Ausstellung malt Greet Helsen in der Galerie: täglich 10–14 Uhr ausser Dienstag, vom 12.–19.3. täglich 10–17 Uhr und auf Anfrage

Lethe II
















Zur Zeit präsentiert die Riehener Galerie Mollwo die neuesten Arbeiten von Greet Helsen. Sie wurde 1962 in Hoogstraten, Belgien geboren. Ihre künstlerische Ausbildung absolvierte sie unter anderem bei Beppe Assenza. Heute ist sie selbst Dozentin an der in Münchenstein ansässigen Assenza Malschule.
Die Materialien, die Greet Helsen für ihre Bilder verwendet, sind vornehmlich Leinwand und Acryl. Das Besondere an ihrer Technik ist der Umgang mit Acryl; sie verwendet Acryl ähnlich wie Aquarellfarbe. Dies verleiht ihren Bildern eine ganz eigene Leichtigkeit, um nicht zu sagen Heiterkeit.
Dabei entstehen abstrakte Kompositionen, deren wichtigste Elemente, Farbflächen an und für sich, meist als freie Rechtecke erscheinen. Zudem setzt sie gekonnt Akzente mittels Tuschelinien, was den Bildern eine Filigranität verleiht. Die Flächen liegen nebeneinander oder überlagern sich sogar. Dabei bleiben die einzelnen Schichten immer erkennbar. So entsteht eine Transparenz und gleichzeitig eine Tiefenwirkung. Die Flächen, die nebeneinander liegen, sind nicht durch harte Konturen von einander getrennt, vielmehr fliessen sie oft ineinander. Das verleiht Greet Helsens Werken eine Weichheit. Weitere Akzente setzt Helsen mittels weisser Farbfelder. Diese wirken als Lichtelemente und geben den Kompositionen ihre Spannung. Denn das Spiel der einzelnen Farben überrascht durch Harmonie und gleichzeitig durch Spannung.
Die auf den ersten Blick willkürlich gesetzten Farbflächen unterliegen einer durchaus überlegten Komposition mit Schwerpunkten und Gegenzentren, Verdichtungen und offenen Flächen. Dadurch dass die Künstlerin jeweils ähnliche formale Elemente einsetzt, erreicht sie eine Rhythmisierung ihrer Bilder, was wiederum Anklang an musikalische Kompositionen macht; dies ist es, was den Betrachter unter anderem anspricht. Ein weiteres Qualitätskriterium in Helsens Werk ist die Ablesbarkeit des Arbeitsprozesses, das heisst, Farbauftrag, Lage der Schichten, Farbspritzer sowie Farbverläufe sind deutlich erkennbar und liefern so spannende Indizien zur Entstehung eines Werkes. All diese Faktoren faszinieren den Betrachter und zeugen gleichzeitig von Greet Helsens virtuosem Können. Obwohl Helsens Bilder weitgehend abstrakt sind, machen sie doch häufig Anklang an Gegenständliches, vor allem an farbdurchflutete Landschaften mit all ihren Facetten. Das Besondere an dieser Ausstellung ist, dass der Besucher unmittelbar die Entstehung ihrer Bilder erleben kann. Die Galerie erfüllt hier die Doppelfunktion von Atelier und Ausstellungsraum. Auf jeden Fall lösen Helsens Werke Emotionen aus, hauptsächlich positive. Das sollte Anlass genug sein, diese Ausstellung zu besuchen.

Thomas Maschijew

Aus dem Inhalt:
Interview mit Greet Helsen
von Florianne Koechlin

Auszug aus Pflanzenpalaver

Koechlin

Malen im Reich der Blumen

...
Wir treffen uns morgens um acht Uhr bei mir zu Hause; auf dem Küchentisch brodelt die Kaffeemaschine. »Ich kann mit der Malerei nur darstellen, wie das Bild einer Pflanze aussieht«, sagt Greet Helsen. »Die Pflanze selber kann ich nicht malen. Darum ist es entscheidend, wie ich als Malerin die Pflanze sehe und welche Empfindungen ich dabei habe. So werde ich sie darstellen. Da spielt mein Verhältnis zum Sinnlichen eine Rolle, meine Auffassung vom Lebendigen. Wenn ich überzeugt bin, dass eine Pflanze mehr ist als blosse Mechanik, wenn ich ihr also Lebenskräfte oder gar eine Seele zugestehe, dann versuche ich dies in der Malerei aufzunehmen. Hierin besteht die grosse Herausforderung: das, was nicht sichtbar ist, in einem Bild zu zeigen.«

Sie spricht in präzisen, beinahe druckreifen Sätzen. Man merkt, dass sie sich seit langem mit solchen Fragen beschäftigt. »Ein Baum zum Beispiel: Wenn ich einen Baum anschaue, sehe ich zuerst vielleicht nichts Besonderes; es ist einfach eine unglaubliche Laubmasse, die da in die Luft gestellt wird.
Wenn ich mich länger mit dem Baum beschäftige, ihn beobachte und zeichne, beginne ich Strukturen wahrzunehmen. Ich stelle selber eine Ordnung her. Mit der Zeit merke ich, was für den Baum typisch ist, die Art etwa, wie er die einzelnen Äste und Zweige gliedert, welche Verhältnisse zwischen den Blättern auftreten, die Intervalle in den Wachstumsformen. Ich merke, dass da viele Strukturen vorhanden sind und dass sie nicht einfach zufällig sind. Sie besitzen eine bewegungshafte Ordnung. So kann ich auch zu der Empfindung gelangen, dass bei diesem Baum alles mit allem zusammenhängt. Trotzdem ist er rhythmisch gegliedert und in sich bewegt - das ist nicht langweilig und ruhig.«
Im Innern des Baumes liefen gleichzeitig viele Prozesse ab, Zellprozesse, Wachstumsprozesse, Flüssigkeitstransporte, Stoffwechselvorgänge. Dieses Kräftespiel zum Ausdruck zu bringen, erachte sie als die grosse Kunst der Malerei.

Lenos Verlag
ISBN 978 3 85787 399 7 Buchhandlung

Phiole

Greet Helsen

Der Künstler Gerhard Merz konstatierte:
„Avantgarde kann doch nur darin bestehen, aus dem Riesenangebot an schon Vorhandenem das richtige auszusuchen. Qualität wird gewissermassen durch das Einzugsgebiet festgestellt, dadurch, womit sich ein Künstler beschäftigt.“ Greet Helsen arbeitet auf Leinwand mit Acryl. Sie bewegt sich in den Werkgrössen von 40 x 4o bis zu 200 x 140. Sie verfährt mit Acryl wie mit Aquarellfarbe, setzt zeichnerische Akzente mit Tuschen und Linien, lässt Farben aneinandergleiten, bewegt sie und sich in einer Verwandlung des naturhaft Gegenständlichen in dessen Auflösung. Sie geniesst den malerischen Prozess im Verlängern des sinnlichen Farbgenusses, die Entdeckungsreisen im Schaffen der Künstlerin erreichen mit diesem Vorgehen den Betrachter direkt. Die Auseinandersetzung mit dem Licht, ein Wesentliches in der Kunst, das bei Helsen auch als Weiss auftritt, macht sie zum „Lichtfänger“, indem sie Kontraste schafft, was den Zugriff zur Trübung erfordert. Die Provokation im Dialog von hell/dunkel wird besonders erfahrbar in ihrem Werk „Phiole“, (130 x 180, 2006). Der Umgang mit den nahezu gestaltlosen Grautönen, das Eintauchen in die totale Tiefe der Dunkelheit, dann die Setzung - wie ausgespart- der Behältnisse des Lichtes, sich energisch behauptend. Mit Spannung zu betrachten auch die kleinformatigeren neuen Zyklen mit Tusche und Acryl, schwarz auf weiss, tänzerisch-dynamische Gesten im Kontrast zu fast monochromer, rhythmischer Behandlung grau-schwarz-weisser Farbfelder.
Diese Arbeiten erreichen den Betrachter nicht unmittelbar, erschweren eher die Interaktion, das heisst, sie lösen sich stärker vom individuellen Einfluss, schaffen eher absolute Werte im Sinne von Transzendenz gegenüber irdischer Realität, lassen geschehen. Daneben im Werk immer wieder Farbklänge, spielerische Improvisationen! Zum einen in der gleichmässigen, aus mehrfachen Überlagerungen von Farbschichten resultierenden Oberflächenbeschaffenheiten ( in frühen Arbeiten pastoser durch Einlagerung von Materialien wie Sand), zum anderen im Einsatz von Rot und Schwarz, dramatisch die nahestehende Intensität der Gefühle und Leidenschaften verdichtend, schliesslich beherrscht durch klares diszipliniertes Denken und Handeln.
Helsens Arbeiten sind oft aus gegenstandsnahen Vorstellungen geschöpfte Farblandschaften. Aus ihnen gelangt sie über metaphorisch beschreibbare Empfindungen zu eigenwilligen Kompositionen. Man ist geneigt, sie nahezu als aurisch zu benennen, was keineswegs den dynamischen Charakter vermissen lässt. Helsen spricht potentiell jedem Ding und jeder Erscheinung - soweit sie nicht serienhaft reproduziert sind - eine ursprüngliche geistige Essenz zu. Zeugnis geben von „vorhistorischer Ganzheit“ birgt den Rückfall in naturalistische Vorstellungen in sich. Dort ,wo zuviel „seelische Empfängnisbereitschaft“ spürbar wird, verliert sich das Atmosphärische aus dem Zentrum des künstlerischen Tuns ,aus dem „Hauch“( griech. Aura) wird Resultat. Hier wird das Ringen der Künstlerin deutlich und spannend, nämlich über das Sinnliche einen atmosphärischen Hof zu bilden, der den Eindruck der Wandelbarkeit und Unermesslichkeit vermittelt. „Bilder schaffen Atmosphären, sinnliche Stimmungen, aussergewöhnliche Zustände und Stimmungen, die fühlbar sind, aber nicht tastbar“. (Yves Klein, Paris 1983) Diese Aussage wird an den Arbeiten von Greet Helsen nachvollziehbar.

Dorothea Deimann, Kunst Raum Rhein Basel, Juli 2007